Der Mantel und ich, wir sind schon eine Weile zusammen unterwegs. Genäht habe ich ihn vor ungefähr 8 Jahren – mit liebevoll selbst abgestepptem Futter und vielen, vielen schönen Stunden Arbeit allein in meinem Nähzimmer, das damals noch kein Kinderzimmer war. Ich habe ihn so geliebt. Ich habe ihn gerne vorgezeigt. Zwischendurch hatten wir mal Pause, weil er mir nicht mehr passte, aber sobald es ging, habe ich ihn wieder angezogen. Nur, wie das manchmal so ist, wenn man so viel Zeit miteinander verbringt – wir haben uns auseinandergelebt. Um uns noch eine letzte Chance zu geben, werde ich das Mantelfutter erneuern müssen und so einiges anderes dazu.
Also, nicht ich, nein – der Mantel selbst hat sich auseinandergelebt. An allen Stellen gehen Nähte auf, der Reißverschluss war kaputt und wurde von mir, weil ich den Mantel da eigentlich schon nicht mehr wollte, eher lieblos ausgewechselt, was sich jetzt rächt. Aber von vorne. Genäht habe ich den Mantel als Wintermantel nach einem Schnitt aus der Ottobre Nr. 5/2012. Der Oberstoff ist aus blauem Cord und das Futter aus einem gemusterten Baumwollstoff, den ich mit Volumenvlies abgesteppt habe. Den Schnitt habe ich damals an der Oberweite und am Rücken nur leicht angepasst. Der Schnitt gefällt mir auch nach wie vor sehr gut und passt – im Gegensatz zu vielem anderem, dass ich damals getragen habe – noch immer zu meinem Stil.
Einen selbstgenähten Mantel weggeben? Gar nicht so einfach…
Aber seit ungefähr 3 Jahren schon ziehe ich ihn nicht mehr so gerne an. Und wie das so ist, wenn man schon lange zusammen ist, wollte ich es mir erst nicht eingestehen. Denn immer, wenn ich jemandem erzählte, dass ich den Mantel selbst genäht hatte, waren alle begeistert und erstaunt aber eben auch fassungslos, dass ich DEN nicht mehr wollte. Mehrfach habe ich gehört „Aber das ist doch DEIN Mantel“. Ist irgendwie auch schön, dass man so mit dem in Verbindung gebracht wird, was man genäht hat, aber was, wenn man es eben nicht mehr so schön findet? Das schlechte Gewissen war also groß. Irgendwann entschied ich mich dann aber doch. Ich würde mir einen neuen Mantel nähen. Ich hatte schon Schnittmuster gekauft.
„Also, wenn du den nicht mehr willst, nehme ich ihn!“ sagte die eine Freundin
„Ich trage ja eigentlich kein blau, aber meinst du, der würde mir stehen?“ sagte eine andere Freundin
„Entschuldigung, wolltest du den nehmen, weil sonst probiere ich ihn mal an.“ sagte eine Frau beim Kleidertausch, als ich ihn mal kurz abgelegt hatte um mich umzusehen.
Es fühlte sich ein Bisschen an, wie wenn man den Menschen, mit dem man gerade Schluss gemacht hat, mit jemand neuem sieht. Man will ihn eigentlich nicht mehr, aber sehen, wie er an jemand anderem hängt? Genau, eben auch nicht. Was also tun? Ich kann nicht mit ihm, aber ohne ihn auch nicht, wenn ich ihn nur ändern könnte… und dann wurde mir klar, genau das kann ich.
Der Plan: Den Mantel neu füttern
Schon klar, es ist nur ein Mantel, aber ich habe zu manchen Kleidungsstücken tatsächlich eine Art Beziehung. Ich schätze sie dafür, dass sie mich warm halten und ich möchte die Arbeit wertschätzen, die in sie gesteckt wurde. Damit meine ich auch gar nicht nur meine eigene Arbeit – es passiert schließlich einiges, bevor ein Stoffballen im Laden liegen kann und schon vor dem nähen arbeiten viele Menschen daran. Gut, also ändern. Blieb noch die Frage, was genau? Wären wir wirklich in einer Beziehung hätte ich jetzt in ein Zwiegespräch mit dem Mantel gehen müssen und mir anhören, was er vielleicht an mir ändern würde. Gut für mich, dass es eben doch nur ein Mantel ist, also eher der Zuhörertyp. Da konnte ich mir meine Gedanken schön für mich machen. Für sowas brauche ich Zeit. Die Überlegung habe ich letzten Herbst angefangen und zähneknirschend den Mantel ohne Ausbesserungen und Änderungen getragen, weil ich ja keinen anderen habe und auch keinen anderen mehr wollte. Gegen Ende des Winters war ich mit den Überlegungen fertig. Zu meiner Verteidigung: Es ging dabei nicht nur um die Farbe des Futters und der Reißverschlüsse, wobei ich mich auch damit ziemlich lange aufgehalten habe (am Ende bin ich bei einem dunkelroten Stoff aus Baumwolle gelandet).
Auch nicht um den Schnitt, der gefällt mir wie gesagt immer noch gut und ich werde ihn wohl im Großen und Ganzen so lassen, wie er ist. Aber das Steppfutter habe ich damals mit Polyestervlies genäht und das will ich, wie ich schonmal geschrieben habe, nicht mehr verwenden (ja, es ist von der gleichen Rolle wie das Vlies in meinem Bügelbrettbezug). Ich wollte ein nachhaltigeres Futter, das möglichst auch ein Bisschen wärmer hält und dafür aber nicht so dick ist. Wenn man da keine Kunstfasern nehmen möchte, kommt man an Wolle eigentlich nicht vorbei. Leider habe ich nicht so viel Erfahrung im nähen mit Wolle. Ich habe mal eine Kinderjacke damit gefüttert und das Kind friert nicht, soweit ich das beurteilen kann – aber das Kind turnt auch wesentlich mehr durch die Gegend als ich. Eigentlich läuft es ich den ganzen Tag warm, also heißt das wohl nicht allzuviel.
Aber das Futter war nicht das einzige, was geändert werden müsste. Als ich den Mantel damals genäht habe, sind mir nämlich aus mangelnder Erfahrung ein paar Fehler unterlaufen, die mich mit den Jahren mehr und mehr gestört haben.
Fehler Nr. 1: Vordere Blende
Fällt euch auf dem Bild was auf? Klar, wem auch nicht. Ich hatte die Anleitung damals nicht richtig verstanden und daher eine der vorderen Blenden aus Futterstoff und die andere aus dem Cordstoff zugeschnitten. Wenn ich den Mantel offen trage oder die Seiten oben etwas aufklappe, sieht das also ein Bisschen komisch aus. Da ich das Futter sowieso auftrennen möchte, werde ich also direkt auch die Blende neu machen und zwar so, dass beide aus dem neuen Futter zugeschnitten sind.
Fehler Nr. 2: Nahttaschen
Der zweite Fehler, den ich gemacht habe, sind die verdeckten Reißverschlüsse. Ich wusste damals noch nicht, wie das genau geht, dabei ist es wirklich einfach. So, wie ich sie genäht habe, springt der Stoff an den Reißverschlüssen auf und sie sind sichtbar. Das ist natürlich nicht dramatisch, aber auch nicht so schön, wie es eben sein könnte. Ich bin noch nicht sicher, ob ich beim neu nähen überhaupt verdeckte Reißverschlüsse möchte oder ob ich dem Mantel an den Taschen noch etwas verändere. Das entscheide ich erst während wenn ich mir besser vorstellen kann, wie er mit dem neuen Futterstoff aussieht.
Fehler Nr. 3: Zu kurze Ärmel
Das dritte Problem mit dem Mantel sind die Ärmel. Sie sind mir einen Ticken zu kurz geraten. Gerade so, dass es nicht besonders auffällt, wenn man ihn anzieht, aber dass z.B. beim Rad fahren die Handgelenke frei liegen und der Wind rein weht. Inzwischen sind leider auch die Ärmelsäume zu abgenutzt, um sie einfach nur etwas auszulassen. Da werde ich mir also noch etwas zu überlegen müssen. Vielleicht nähe ich Bündchen dran, damit sie winddicht abschließen. Der Nachteil dabei ist aber, dass ich dann schwerer die dicken Winterpullis drunter ziehen kann (andererseits habe ich davon kaum welche).
Fehler Nr. 4: Kein Aufhänger
Was soll ich dazu sagen? Ich habe damals aus Faulheit oder weil ich endlich fertig werden wollte keine Schlaufe zum Aufhängen mit eingenäht. Egal, was damals der Grund war, ich ärgere mich darüber und zwar jedes einzelne Mal, wenn ich den Mantel irgendwo aufhängen muss. Immerhin hat es dazu geführt, dass ich solche kleinen Schritte nicht mehr einfach überspringe, weil mir klar ist, wie viel besser diese kleinen Dinge ein Kleidungsstück machen können.
Fehler Nr. 5: Fehlende Knöpfe an Saum und Halsausschnitt
Noch so ein „Flüchtigkeitsfehler“. Genau wie beim Aufhänger habe ich damals einfach geschludert. Ich hatte sogar den Plan, das später noch zu machen, wollte den Mantel nur endlich schon mal anziehen können. Es ist schon erschreckend, wie phlegmatisch ich bei sowas sein kann. In all den Jahren ist mir im Winter der Wind oben durch die Kapuze gepfiffen und ich habe es einfach ertragen. Natürlich habe ich jedes Mal gedacht „Oh, Wind, ich muss UNBEDINGT diesen Knopf annähen“. Natürlich habe ich es trotzdem nicht gemacht. Es sollte mir eine Lehre sein, inzwischen bin ich bei sowas wirklich gewissenhafter.
Ihr seht, ich habe einiges vor mir. Noch ist es warm genug und ich hoffe, es wird noch ein paar Wochen dauern, bis man wirklich einen Wintermantel braucht. Damit ich es dieses Jahr wirklich angehe, habe ich aber das Futter schon rausgetrennt und muss jetzt entsprechend etwas Gas geben, wenn ich im Winter nicht frieren will. Unserer Beziehung kann es nur gut tun.
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Wintermantel-Makeover Teil 1: Mantelfutter erneuern oder „Du hast dich auseinander gelebt“
Wintermantel-Makeover Teil 2: „Du bist so kalt“ Meine Suche nach einem nachhaltigen Futterstoff
Wintermantel-Makeover Teil 3: Nahttaschen nähen in 2 Varianten
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