Es ist verhext. Immer dann, wenn ich denke, ich nähe mir etwas, was besonders einfach ist, wird es kompliziert. Es fing damit an, dass ich in unserer Schrebergartenlaube jede Menge schwarze T-Shirts vom Vorpächter entdeckt habe. Für den Mann waren sie zu klein, für mich zu groß. Genau richtig für ein Upcycling-Projekt, zumindest schossen mir sofort ein paar Ideen durch den Kopf.
Ich liebe solche Momente in denen eine Nähidee noch ihre Form annimmt. Dass ich immer wieder auf den Boden der Realität aufpralle, will ich mal nicht leugnen. Zumindest war das T-Shirt Upcycling nicht ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich dachte nämlich, ich müsste nur mal kurz einen Schnitt aufmalen, zwei Nähte schließen und „noch ein paar Kleinigkeiten“ machen und das Shirt wäre fertig. Ganz so einfach war es natürlich mal wieder nicht. Ich neige dazu, solche Projekte zu unterschätzen. Ein Bisschen liegt es bestimmt auch daran, dass sie mit der Zeit wachsen und die Ideen größer werden. Aber das ist vielleicht gar nicht so schlecht – wenn man denkt, es kommt nicht viel auf einen zu, fällt der Einstieg leichter. Die Frustrationsschwelle ist mit den Jahren stark angewachsen, also keine allzu schlechte Kombi für unerwartete Probleme. Soviel vorweg, die Einfassung am Hals habe ich drei Mal angenäht, aber das war es wert. Und jetzt der Reihe nach:
Es sollte ein schlichtes, ärmelloses Shirt werden, also die ideale Gelegenheit um die Hohlkreuzanpassung auszuprobieren, die ich in meinem Beitrag zum Hemden-Upcycling erwähnt habe. Auch den Grundschnitt der Bluse wollte ich übernehmen (ohne die verschobenen Abnäher), denn der passt mir ziemlich gut. Der Papierschnitt war also schon vorbereitet, bis auf die Anpassung für das Hohlkreuz. Das ich die brauche, hatte mir schon seit einiger Zeit gedämmert, aber allein schon dieses Wort: HOHL-KREUZ-ANPASSUNG. Das will doch niemand machen. Beim der Bluse konnte bzw. wollte ich aber auch nicht mit den Längsabnähern im Rücken arbeiten mit denen ich mir sonst immer geholfen habe. Außerdem habe ich diesen Blog ja unter anderem angefangen, um irgendwann nur noch richtig gut sitzende Kleidung zu haben (ich glaube noch nicht ganz daran, aber ich stehe ja auch erst am Anfang). Bevor ich einen schönen unberührten Stoff dafür zerschneiden würde und die Anpassung am Ende doch komisch aussieht, kam mir der Stapel alte T-Shirts also gerade recht.
Hohlkreuzanpassung im Rückenteil
Das Problem beim Hohlkreuz ist, dass ohne Schnittanpassung zu viel Stoff im Rücken ist und unschöne Falten wirft. Je nach Beschaffenheit des Materials stehen die wahlweise eher ab oder hängen runter – schön ist nichts davon. Wie so viele Passformprobleme kann man das mit etwas Geschick im Nachhinein ausgleichen, was mal besser, mal schlechter funktioniert. Im Idealfall kennt man also seine Passform und weiß, wo man nicht nach Schnittmusternorm gebaut ist – denn wenn man das weiß, kann man mit ein Bisschen Ahnung von Schnittmustern so ziemlich alles vorher anpassen – man muss sich nur trauen. Zum Glück muss man sich diese Ahnung auch nicht komplett selbst erarbeiten. Ein Bisschen Verständnis hilft zweifellos, aber es gibt fast nichts, das nicht schon jemand anderes probiert und vor allem dokumentiert hat. Ich habe mich z.B. an diese Anleitung gehalten, die super funktioniert hat: https://theflyingneedle.de/de/naehenfuermich/hohlkreuz-anpassung-fuer-schnittmuster-ohne-taillen-oder-rueckennaht. Einziges Problem: Bei der Frage, wie viel ich wegnehmen müsste, musste ich ein Bisschen raten. Wenn man einen Schnitt noch nicht kennt, würde ich empfehlen, die Rückenlänge auszumessen (die eigene und die am Schnittmuster) und die Differenz abzuschätzen. Dabei darf man eine kleine Bequemlichkeitszugabe aber nicht vergessen, sonst sitzt der Rücken nachher zu stramm. Da ich den Blusenschnitt schon genäht hatte konnte ich die Länge ungefähr abmessen und habe das Rückenteil um etwa 3 cm je Seite gekürzt. Auf dem Bild seht ihr das Rückenteil vor und nach der Hohlkreuzanpassung:
hin deutlich kürzer geworden.
Das Shirt ist schief – Probleme beim Zuschnitt
Soweit so gut, ich hatte also mein angepasstes Schnittmuster und konnte endlich den Schnitt anzeichnen. Es hätte so einfach sein können. Meine Idee war, Ausschnitt und Schulternähte beizubehalten, weshalb ich versucht habe, den Papierschnitt dort anzusetzen. Die Betonung liegt auf Versuch, denn egal, wie ich es machte, es wurde immer schief. Auch, als ich mir die Mitte des T-Shirts mit Nadeln markiert hatte, schaffte ich es nicht, den Schnitt symmetrisch aufzuzeichnen. Es hat mich wahnsinnig gemacht. Nach ungefähr einer halben Stunde sah das T-Shirt aus, wie eine Schemazeichnung des Kölner U-Bahn-Netztes.
Ja, es hat lange gedauert, bis ich darauf gekommen bin, dass der Fehler nicht an mir oder meinem Papierschnitt lag. Länger, als zuzugeben mir lieb ist. Das Shirt war schief. Warum ich so lange nicht darauf gekommen bin? Auch in mir ist die Annahme anscheinend tief verwurzelt, dass gekaufte Kleidung immer exakt genäht ist – was natürlich nicht stimmen kann, wenn T-Shirts im Akkord genäht werden. Ich gehe mal davon aus, dass es sich nicht um Designerkleidung handelt, die da im Stapel in der Laube belassen wurde (wobei auch die bekanntermaßen oft im unter ähnlichen Bedingungen hergestellt wird). Das Shirt war also schief, so zumindest meine Vermutung, aber ganz sicher war ich mir da noch nicht. Außerdem wollte ich unbedingt die Schulternähte behalten, denn wenn ich beim upcyceln einfach nur einen Schnitt auflege und komplett neu aufzeichne fühlt es sich irgendwie an, als hätte ich geschummelt. Der Reiz liegt ja gerade darin, etwas neues zu gestalten und dabei trotzdem etwas vom alten zu bewahren. Auch, wenn es am Ende nur Kragen und Schulternähte sind. Oder ganz am Ende nur Schulternähte. Genaugenommen eine Schulternaht, denn als ich die erste Anprobe machte, hing der rechte Brustabnäher ca. zwei Zentimeter weiter unten als der linke. Also sooo schief bin ich dann doch nicht gebaut. Zumindest war das der Beweis, dass nicht ich so unfähig war, sondern tatsächlich das T-Shirt asymetrisch geschnitten war. Augen auf beim Upcycling, sage ich nur. Guckt euch die Klamotten, die ihr bearbeiten wollt, genau an, sonst gibt es manchmal solche Überraschungen. Auch, wenn es nicht an mir lag, von dem schief sitzenden Shirt habe ich kein Foto gemacht – es sah einfach zu blöd aus.
Korrigierte Schulternaht und Ausschnitt mit Cut-Outs
Aber dann! Eine Schulternaht lässt sich schnell korrigieren und jetzt saß das Shirt tatsächlich ganz passabel. Ich konnte mich endlich an den Ausschnitt machen, auf den ich mich die ganze Zeit so gefreut hatte. Gerade beim Upcycling von Kleidung gibt es meistens ein bestimmtes Detail, dass das Teil besonders macht – bei diesem Shirt sollte das der Ausschnitt mit Cut-Outs in Dreiecksform sein – ein kleines vorne und ein größeres hinten. Die Idee dazu habe ich aus dem Blog von Elle Puls und letztes Jahr schon bei einem Kleid ausprobiert. Natürlich wollte ich auch das Ausschnittbündchen behalten. Bündchen sind bei gekauften T-Shirts allerdings so angenäht, dass ich es nicht einfach nur an den Stellen mit den Dreiecken auftrennen und irgendwie wieder schließen konnte. Damit es schön aussah, musste der Ausschnitt komplett neu eingefasst werden. Warum ich trotzdem unbedingt das Originalbündchen behalten wollte? Ganz einfach – weil es genau auf den Stoff abgestimmt ist. Bei gekauften Shirts gibt es einfach keine Farbabweichungen zwischen T-Shirt-Stoff und Bündchen und die Struktur ist auch anders als bei Meterware, meistens nämlich etwas grober. Also habe ich mir die Arbeit gemacht das Bündchen aufzutrennen und wie Schrägband einzuschlagen und zu bügeln. Leider sah das Shirt nach dem annähen so aus:
Ok, das war ärgerlich, aber auch kein Grund zum Verzweifeln. Einfach nochmal auftrennen, das bin ich ja gewohnt. Nach dem zweiten annähen war es nur leider nicht besser. Die Dreiecke lagen zwar jetzt richtig an, aber dafür zog sich der Stoff am restlichen Ausschnitt zusammen. Dieses Mal kam ich wenigstens schneller drauf, dass die Ursache am ursprünglichen Shirt liegen musste. Schließlich hatte ich den Ausschnitt komplett so belassen, wie er war – das Bündchen muss also schon bei dem T-Shirt extrem eng konzipiert worden sein. Nur doof, dass mir das nicht aufgefallen war bevor ich mir die Arbeit gemacht hatte. IM Nachhinein habe ich es übrigens auf den Fotos gesehen – aber hinterher ist man eben immer schlauer.
Ausschnitt stark zusammengezogen.
Normalerweise wäre ich jetzt total frustriert und würde erstmal aufhören, aber ich war noch so motiviert, weil der Rest endlich so gut saß, dass ich bereit war, mir etwas anderes zu überlegen. Die Möglichkeiten waren gekauften Bündchenstoff zu nehmen, der nicht die exakte Farbe hatte, aber wenigstens die typische Bündchenstruktur oder die Ärmel des Shirts zu Schrägband zu verarbeiten. Umgekehrtes Problem, also keine Bündchenstruktur, aber dafür die passende Farbe.
Einfassung aus Bündchenstoff – warum nicht gleich so?
Lange Rede kurzer Sinn, ich habe ich am Ende für den Bündchenstoff entschieden. Dazu habe ich einmal die gesamte Ausschnittlänge gemessen und diese Länge minus 5% zugeschnitten. Das Bündchen habe ich dann wieder wie Schrägband gebügelt (wie das geht könnt ihr hier nachlesen) und den Kragen damit eingefasst. Die an der Innenseite habe ich den Ausschnitt sogar von Hand angenäht, damit man außen keine sichtbare Naht auf dem Bündchen sieht. Am Ende bin ich wirklich zufrieden.
Ich finde, das Shirt sitzt wirklich gut und hat auch mit dem gekauften Bündchenstoff seine typische T-Shirt-Optik behalten. Das Dreieck am Rücken könnte etwas kleiner sein, finde ich, aber es gefällt mir trotzdem. Ehrlich gesagt fällt der Farbunterschied zwischen Stoff und Bündchen nicht sonderlich auf. Außer mir bemerkt es wahrscheinlich niemand. Aber ohne die Fehlversuche vorher, hätte ich wahrscheinlich immer damit gehadert. Auch die Anpassung für das Hohlkreuz werde ich ab jetzt definitiv immer machen.Die übrigen T-Shirts werde ich allerdings ins Fairkaufhaus geben, mehr als ein schwarzes Shirt brauche ich dann doch nicht in meiner Capsule Wardrobe.
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